Von Miguel Nunes Silva

In Junge Freiheit

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Portugal: Das Land war bis 2019 einer der wenigen EU-Staaten, in dem es keine Rechtspartei gab / Am 10. November 2015 formierten sich erstmals Rechte auf der Straße und später als Partei. Nun ist die CHEGA drittstärkste politische Kraft.

Wir schreiben den 10. November 2015. Vor der makellos weißen Fas sade des neoklassizistischen Palast komplexes São Bento, dem Sitz des portugiesischen Parlaments, protestiert eine kleine Gruppe von Demonstranten gegen die Politiker, die sich im Inneren aufhalten. Die Ereignisse, die sich hier abspielen, sind in Portugal beispiellos: Entgegen allen Präzedenzfällen und Traditionen seit der Revolution von 1974, die das diktatori sche Regime stürzte, unterzeichnen der Linksblock (BE) und die Kommunistische Partei (PCB) eine Regierungsvereinbarung mit der hegemonialen Sozialistischen Partei (PS).

Die andere Premiere ist die bescheidene Demon stration selbst. Es ist ungewöhnlich, außerhalb der Wahlsaison rechte Wähler auf der Straße zu sehen, und noch ungewöhnlicher ist, daß keine Partei oder NGO sie organisiert hat. Rechte Wähler sind ein fach spontan aufgetaucht. Normalerweise gehören die Straßen der Linken. Ihre Studenten, Gewerk schafter und Beamten haben Zeit zum Protestie ren und können nicht gefeuert werden, während die Rechte Familien und Arbeitsplätze im privaten Sektor zu berücksichtigen hat.

40 Jahre lang waren dieselben fünf Parteien im Parlament vertreten. Die portugiesische FDP ist die CDS-Partei, eine christdemokratische Kraft, die Kleinunternehmen unterstützt und der anderen „Mitte-Rechts“-Partei bei Bedarf bei der Bildung von Koalitionen hilft. Die andere Partei ist die PSD, das portugiesische Pendant zur CDU. Sie ist nicht besonders ideologisch und dient hauptsächlich als technokratische Alternative zur hegemonialen PS. Die PS ist seit Jahrzehnten ein Verbündeter der SPD in internationalen Foren und die wichtigste Partei für Beamte in Portugal. Links von der PS befindet sich die Portugiesische Kommunistische Partei, eine marxistisch-leninistische Partei, die der Partei Die Linke und dem Linksblock (BE) ähnelt, die wiederum den Grünen näher stehen.

Unheilige Allianz von Sozialisten, Kommunisten und Trotzkisten

Vier Jahrzehnte lang variierten die Regierungslö sungen von PS-Mehrheiten bis hin zu PSD/CDS Koalitionen, wobei sich alle Parteien der Mitte einig waren, daß PCP und BE zu extrem waren, um mit der Exekutivgewalt betraut zu werden. 2015 hatte das konservative Wahlbündnis von PSD/CDS und Vorwärts Portugal), die Parlamentswahl mit 38,6 Prozent gewonnen. Und obwohl die Sozialisten nur 32,3 Prozent erhielten gingen sie den „Pakt mit dem Teufel“.

Seitdem regieren die Sozialisten mit parlamen tarischer Unterstützung von Kommunisten und Trotzkisten. Diese unheilige Allianz hatte auch reale Konsequenzen: Weit entfernt von bloßen Etiket ten und Slogans setzten die PS-Regierungen von Premierminister António Costa die Woke-Agenda ganz oben auf ihre Prioritätenliste und verwandel ten den Staatsbürgerkundeunterricht an öffent lichen Schulen in Zentren zur Indoktrinierung mit Kulturmarxismus. Die Sozialisten stoppten auch den Schuldenabbau, öffneten die Grenzen für Einwanderer aus der Dritten Welt und lobten die Online-Zensur.

Die Reaktion der PSD- und CDS-Politiker war überraschend zahm. Anstatt einen Skandal aus der Verantwortungslosigkeit des Verhaltens und der Re gierungsführung der Sozialisten zu machen, knick te auch die Rechte vor der Woke-Agenda ein, und alle hatten zu viel Angst, die Masseneinwanderung in Frage zu stellen, aus Angst, als „Rassisten“ be zeichnet zu werden.

Die Wahrheit ist, daß die portugiesische Rechte nach 40 Jahren „Zentrismus“ daran gewöhnt war, die Unterstützung der Konservativen als selbstver ständlich zu betrachten, und sich nur darum sorg te, der PS die Wählerschaft der Zentristen streitig zu machen.

Im Jahr 2019, rechtzeitig zu den Europawahlen, traten zwei neue rechte Parteien bei den Wahlen an, und später im Jahr gelang es beiden, den Sta tus quo zu durchbrechen, indem sie bei den na tionalen Wahlen im Oktober jeweils einen Abge ordneten ins Parlament wählten. Dabei handelte es sich um die Macron-nahe Liberale Initiative und die populistisch-konservative CHEGA-Partei („Genug“). Seit 2019 sind die Liberalen (IL) die viertgrößte Partei, und CHEGA (CH) ist nun die drittgrößte, wobei sie in den jüngsten Umfragen auf 20 Prozent kommt.

Eine so große Ansammlung von rechten Parteien führte zum schnellen Aussterben der historischen christdemokratischen CDS-Partei, und das PSD kämpft nun darum, die 30-Prozent-Marke zu er reichen. Während die Liberalen eine elitäre Ni schenpartei sind, die in den reichsten Gegenden von Lissabon und Porto Fuß faßt, zieht CH ehe malige Wähler der PSD und der rechtskonserva tiven Volkspartei (CDS) an, aber auch in großem Umfang Nichtwähler. Demographisch gesehen ist CH eine Partei der Vororte und im Süden Portugals und in Lissabon stärker vertreten.

Auch die Konservativen distanzieren sich von den Rechten

Die portugiesische Politik befindet sich im Um bruch, da das Parlament von den traditionellen fünf Parteien auf derzeit acht angewachsen ist. Die Zukunft wird ganz anders aussehen, und dieser Unterschied wird mit Sicherheit von CHEGA, sei ner Ideologie und seinen Anhängern geprägt sein.

Der Wechsel von einem verkrusteten Fünf-Par teien-Parlament zu einer Mehrparteienlandschaft mit acht Parteien innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt ist eine dramatische Revolution in der Geschichte der 3. Republik Portugals.

CHEGA ist der größte Störenfried des etablier ten politischen Status quo. Entsprechend wurde der Parteigründer und -vorsitzende André Ventura, der Ende 2018 die CDS verließ und im Mai 2019 CHEGA gründete, von sozialistisch gesinnten Ro ma mit Steinen und spitzen Gegenständen bewor fen, und die Partei erhält täglich Morddrohungen in den sozialen Medien. Entsprechend bezeich nen die Hauptmedien trotzkistische und lenini stische Parteien als „linksgerichtet“, CH jedoch als „rechtsextrem“ und veröffentlichen regelmäßig Enthüllungsberichte, die in die „extremistische Un terwelt“ der parafaschistischen Wurzeln von CH am Vorabend der nationalen Wahlen eintauchen.

Die etablierten Parteien verbreiteten die unver hohlen voreingenommene Anti-CH-Propaganda nur allzu gern, in der Hoffnung, die Wählerschaft davon abzuhalten, CH zu wählen, und „rechtsge richtete“ CDS-Parteimitglieder haben öffentlich erklärt, daß es einfacher sei, Gespräche mit der extremen Linken zu führen als mit CHEGA.

Als CH 2022 erstmals drittgrößte politische Kraft wurde, verweigerte das Parlament die Er nennung ihres rechtmäßigen stellvertretenden Par lamentssprechers. Normalerweise werden vier Per sonen ernannt, die den Parlamentspräsidenten bei der Vermittlung des Dialogs im Plenarsaal unter stützen, in der Regel aus den vier größten Parteien. Aber auch hier haben sowohl die Linke als auch die etablierten Konservativen zusammengearbeitet, um CH zu boykottieren.

Was hat eine so feindselige Haltung gegenüber der neuen konservativ-rechten Partei provoziert? CHEGA präsentiert sich mit zwei weltanschau lichen Hauptplattformen: Sie ist in erster Linie eine Partei gegen Einwanderung und Korruption.

Nach den aktuellen offiziellen Zahlen leben 1,4 Millionen Ausländer im Land. Doch der Minister für Präsidentschaftsangelegenheiten, Leitão Amaro, gab nun bekannt, daß das Land einen sehr deutli chen Anstieg der Einreisen erlebe. Die Massenein wanderung aus der Dritten Welt ist vor allem im Großraum Lissabon und im Süden Portugals, in den Regionen Alentejo und Algarve, ein wichtiges Thema. Ursprünglich stammte ein Großteil dieser Einwanderer aus portugiesischsprachigen ehemali gen Kolonien, was die Integration erleichterte. Seit die sozialistische Regierung jedoch die wichtigste portugiesische Einwanderungskontrollbehörde abgeschafft hat, ist nicht nur der Zustrom außer Kontrolle geraten, sondern viele Neuankömmlinge sind auch kulturell nicht kompatibel.

Alentejo ist die größte, ärmste, aber auch am dünnsten besiedelte Region Portugals. Lokale Land wirtschaftsbetriebe waren gezwungen, Arbeitskräfte aus der Dritten Welt einzustellen, als alle Jugend lichen auf der Suche nach besseren Möglichkei ten in die Küstengebiete zogen, insbesondere nach der Finanzkrise. Das Problem ist, daß in einigen ländlichen Gebieten bereits mehr Einwanderer aus ehemaligen portugiesischen Kolonien als Ein heimische leben und – wie zu erwarten war – die Kriminalitätsrate gestiegen ist.

Ein weiteres Thema, das CH für sich nutzt, ist die Kritik an der Gemeinschaft der Sinti und Ro ma. Jahrzehntelang wurden Zigeuner als ethnische Minderheit positiv diskriminiert, indem sie in den Genuß mehrerer Programme kamen, die ihnen ko stenlosen Wohnraum und Subventionen verschaff ten, und ihre deutliche Überrepräsentation in der Kriminalstatistik im Allgemeinen übersehen wurde. Unter der Führung von Ventura beendete CH diese Kultur der Straflosigkeit und beschimpft sie nun, insbesondere wenn sie regelmäßig Rettungskräfte belästigen und bei Streitigkeiten mit anderen städ tischen Banden Schußwaffen einsetzen.

Ventura kämpft gegen staatliche Übergriffe und verteidigt niedrigere öffentliche Ausgaben, während er argumentiert, daß die Renten der Rentner min destens auf dem gleichen Niveau wie die Sozialhil fegutscheine liegen sollten. Kürzlich zugewanderte Einwanderer erhielten dreimal soviel wie manche Rentner im Monat.

CHEGA fordert die Jugend auf, das Land nicht mehr zu verlassen

CH setzt sich konsequent für weniger Sitze im Parlament, weniger Stellen in der öffentlichen Verwaltung und eine geringere Besteuerung der Arbeit ein und verteidigt seit Jahren eine weit verbreitete Streichung der Mittel für die vielen öffentlich beauftragten Beobachtungsstellen und Kommissionen, die niemand zur Rechenschaft ziehen kann. Als wenn die Bedrohung des Geld segens nicht schon genug wäre, fordert CH auch die fristlose Entlassung aller korrupten Politiker und ein Verbot für Politiker, auf demselbenFeld zu arbeiten, das sie über einen längeren Zeitraum beaufsichtigt haben, um Drehtürgeschäfte zwi schen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu verhindern. „Immer mehr Portugiesen erkennen in der CHEGA die einzige Alternative zu diesem verrotteten und korrupten PS- und PSD-System. Ihr Vertrauen gibt uns noch mehr Kraft, für ein gerechteres und wohlhabenderes Portugal zu kämp fen. Danke!“ erklärte Ventura nun die wachsende Zustimmung bei den Portugiesen.

Vor diesem Hintergrund gab Ventura vergan gene Woche seine Kandidatur für die Präsident schaftswahlen 2026 bekannt. Seine Kandidatur stützt sich auf „fünf Achsen“, die er für grundle gend hält. An erster Stelle steht der „Kampf gegen die Korruption“, den er als „Meilenstein“ seiner politischen Karriere betrachtet. „Der Kampf ge gen Korruption, Vetternwirtschaft und Abspra chen ist ein täglicher Kampf, im Parlament, in den Gemeinderäten, in allen politischen Aktivitäten. Und ein Präsident der Republik muß in der Lage sein, dem System zu sagen, daß es sich in dieser Hinsicht wirklich ändern muß“, so der CHEGA Chef. „Das ist es, was wir von den Präsidenten der Republik nicht hatten“, sagt Ventura, der seit langem ein scharfer Kritiker von Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa ist.

Auch wendet er sich den jungen Leuten in Portugal zu und behauptet, das Land habe „die Besten gehen lassen“ und ihre Familien wüßten, wovon er spreche. „Viele denken daran, in die am weitesten entwickelten Länder der Welt zu gehen, aber sie sollten bei uns, in Portugal, bleiben wol len“, betont er. Zudem stellt sich Ventura auf die Seite der Sicherheitskräfte. „Diejenigen, die Ver brechen begehen müssen bestraft werden.“ „Dies war praktisch ein Kampf, den wir von CHEGA alleine geführt haben und den ich als Präsident der Partei geführt habe“, betont Ventura und schil dert, daß das Land Fälle erlebt habe, in denen „die politische Macht lieber auf der Seite derjenigen stehe, die Verbrechen begehen, als auf der Seite der Sicherheitskräfte“.

Vor allem aber brauche Portugal im Bereich der Einwanderung eine „feste Stimme“, betonte Ven tura und fuhr fort: „Wofür wir vor drei oder vier Jahren gewarnt haben, ist derweil die Realität, die die Portugiesen heute tagtäglich erleben.“

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